Einführung zum Buchstaben A
„Der Allrounder"
Das schwäbische Multitalent
Die schwäbische Sprache ist eine klanglich hochdifferenzierte Sprache. In ihr ist der Buchstabe A eine Art Multitalent und erfüllt souverän vier unterschiedliche klangliche Differenzierungen:
> helles a [a]
> dunkles a [ɒ]
> nasaliertes a [ã]
> nasalierter Leichtlaut a.
Durch diese unterschiedlichen a werden Wörter mit unterschiedlichem Sinn unterschieden. Beispiele:
> Das Adverb na meint mit hellem a hinab, mit dunklem a dann, mit nasaliertem a hin.
> Das Wort Gas meint hellem a den Energieträger Gas, mit nasaliertem a die Gans.
> Das Wort Firma mit hellem a ist die Einzahl, mit nasaliertem Leichtlaut a die Mehrzahl.
Das hochdeutsche Problem
Das Hochdeutsche kennt nur das helle a, sowohl in der Sprechung wie in der Schreibung.
Damit lässt sich die schwäbisch Differenzierung in vier unterschiedliche a-Laute nicht ausdrücken.
Wer gutes Schwäbisch schreiben will, muss in einem größeren Sprachhorizont denken.
Der beschränkte hochdeutsche Horizont ist für das Schwäbische zu eng.
Die europäische Lösung
In den europäischen Hochsprachen finden sich, wie im Schwäbischen, differenzierte a-Laute.
Und in ihnen finden sich zwei zusätzliche international anerkannte Schreibungen:
Die Schreibung å für das dunkle a.
Die Schreibung ã für das nasalierte a.
Eine Übernahme dieser zwei europäischen Schreibweisen in das Schwäbische ist sinnvoll.
Bleibt noch der nasalierte Leichtlaut a.
Dieser Laut braucht keine eigene Schreibung.
Er ist durch seine Stellung innerhalb des Wortes erkennbar:
> Durch die Stellung am Wortende (rächna, schreiba, wissa).
> In Diphthongen durch die Stellung als zweiter Vokal (fäaga fegen, ziaga ziehen, miasa müssen).
Zusätzliches für Spezialisten
1. Die schwäbischen a-Diphthonge
Der Bestand an a-Diphthongen umfasst im Schwäbischen nicht weniger als acht unterschiedliche Diphthonge: ae, ao, au, ia, oa, ua, åa, äa. Regional werden sie teils auch nasaliert gesprochen.
Das Neuhochdeutsche kennt nur zwei a-Diphtonge: au und äu. Was für ein Unterschied!
2. Die Entstehung von hellem a und dunklem å
Die schwäbische Sprache
hat die althochdeutsche Unterscheidung zwischen langem a und kurzem a in vollem Umfang beibehalten. Diese zeigt sich im Schwäbischen als Unterscheidung zwischen dem dunklen å und dem hellen a. Durch die schwäbische Unterscheidung zwischen å und a lässt sich deshalb für jedes Wort zielsicher angeben, ob der betreffende a-Laut althochdeutsch lang war oder kurz.
Das Hochdeutsche
hat in seiner Entwicklung das althochdeutsche lange a und das althochdeutsche kurze a völlig durcheinander geworfen. Aus dem Hochdeutschen heraus ist kein Rückschluss auf das Althochdeutsche mehr möglich.
a. Spricht man schwäbisch ein dunkles å und parallel hochdeutsch ein helles a, dann war das a althochdeutsch lang. Beispiele: Bei Schaf, Rat und malen war das a althochdeutsch lang, da schwäbisch Schåf, Råd und måla gesprochen wird. Durch die schwäbische Unterscheidung zwischen å und a lässt sich deshalb für jedes Wort zielsicher angeben, ob der betreffende a-Laut althochdeutsch lang war oder kurz.
b. Spricht man schwäbisch und hochdeutsch gemeinsam ein helles a, dann war das a althochdeutsch kurz. Beispiele: Bei "Glas", "Rad" und "mahlen" war das a althochdeutsch kurz, weil schwäbisch ebenfalls "Glas", "Rad" und "mala" gesprochen wird. Das a in diesen Wörtern ist hochdeutsch und schwäbisch erst nach der althochdeutschen Zeit lang geworden.
3. Schwäbisch - Europäisch
a. Schwäbisch - Skandinavisch
Durch sein dunkles å bietet das Schwäbische eine sehr schöne sprachliche Brücke zu den skandinavischen Sprachen. In ihnen fand eine gleichartige Entwicklung des langem a hin zu einem dunklen å statt. Beispiele:
schwedisch "Hår" Haar - schwäbisch Hår
schwedisch "År" Jahr - schwäbisch Jår
schwedisch "Språk" Sprache - schwäbisch Sbråch
b. Schwäbisch - Englisch
Auch das englische dunkle a in warm warm, water Wasser, what was wird fast gleich wie das schwäbische dunkle å gesprochen; es hat allerdings eine andere Entstehung.
c. Das hochdeutsche Problem
Ihm fehlen diese schönen sprachlichen Brücken zu den europäischen Sprachen.